• Kirchenmusik ist einer der großen Schwerpunkte der Musik von Henry Purcell; daneben gibt es umfangreiche Kammermusik (für Tasteninstrumente, für Streicher, Lieder), Oden und Welcome Songs, d.h. so etwas wie bunte Nummernrevuen mit unterschiedlichen Besetzungen zu bestimmten Ereignissen/Themen, sowie Bühnenmusik. Hier wird zunächst auf die sakrale Musik eingegangen, die ebenso wie die Oden & Welcome Songs (erstmalig) vollständig und maßstabbildend von Robert King und seinem King’s Consort bei hyperion eingespielt worden ist, die geistliche Musik zunächst ab 1991 auf einzelnen (hochpreisigen) CDs, dann 2002 als preiswerte Box mit allen 11 CDs. Diese Sammlung ist jetzt komplett auf YouTube eingestellt, insgesamt 162 einzeln abrufbare Tracks: Purcell: Complete Sacred Music, https://www.youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_maxGiLzOf-0qSCoEyhW9Em-ThFzR4I4qg.

  • Nun kann man sich nicht ernsthaft vornehmen, mal eben 162 Nummern abzuspielen (bei J. S. Bach kann man auch nicht „mal schnell“ die 60 CDs mit Kirchenkantaten anhören). Zum Umgang mit dem Überangebot können drei Vorschläge gemacht werden: (a) Man kann die Zufallsauswahl einstellen und ein paar Titel anhören, und dies bei Gelegenheit immer wieder mal. (b) Man kann der Reihe nach sich erst mal die ersten 10 Nummern vornehmen, irgendwann später die nächsten 10 usw. (c) man kann erst einmal bei den Titeln einsteigen, die Robert King selbst in die Auswahl-CD „Essential Purcell“ übernommen hat - ich würde zunächst letzteres anregen.

  • Die in „Essential Purcell“ übernommenen Sakralwerke, sind aus der oben nachgewiesenen kompletten Playlist die Titel Nr. 61: Hear My Prayer, O Lord, Z. 15, 02:25 Minuten - zeichnet sich durch extreme Querstände aus; Nr. 22: Let Mine Eyes Run Down with Tears, Z. 24, 04:18 Minuten - Chor mit bemerkenswertem Einsatz von Knabensopranen; Nr. 93: Rejoice in the Lord Alway „The Bell Anthem“, Z. 49, 08:25 Minuten - umfangreich, nach dem „Glockenanfang“ mehrfacher Wechsel zwischen Solisten, Chor und Orchesterritornell; Nr. 65: Hosanna to the Highest, Z. 187, 05:31 Minuten - ein „hypnotischer“ Ground: stetig wiederholte Basslinie; Nr. 119: Thou Knowest, Lord, the Secrets of Our Hearts, Z. 58c, 02:19 Minuten, - Teil des Trauermusik für Queen Mary; Nr. 64: Remember Not, Lord, Our Offences, Z. 50, 03:35 Minuten, - aufbauende Spannung/Querstände die sich dann auflösen; Nr. 161: Now That the Sun Hath Veiled His Light „An Evening Hymn“, Z. 193, 04:25 Minuten, - unglaubliches Solo eines Knabensoprans über einem Ground-Bass.

  • Vom musikalischen Ansatz sind Purcells Sakralwerke für unsere an zeitgenössische Musik gewohnten Ohren wohl die härteste Kost: Sie schließen noch einigermaßen fugenlos an die alten Musiktraditionen von Taverner, Tallis , Morley und Byrd an, sind aber zudem häufig harmonisch noch erheblich komplexer gestrickt, während die Oden und Welcome Songs wie auch die Theatermusiken zumeist leichter verdaulich sind. Nach meiner Erfahrung erschließt sich aber auch die innere Logik der geistlichen Musik gut und führt zu einem sehr befriedigenden Hörerlebnis - eventuell aber erst, wenn man die einzelnen Stücke mehrfach hört oder sich insgesamt eingehört hat. Deshalb kann empfohlen werden, sich zunächst mit einer beschränkten Zahl von diesen Kompositionen zu bescheiden - ich habe mir seinerzeit die einzelnen CDs schon wegen der hohen Preise nur in großen zeitlichen Abständen angeschafft und war darauf eingestellt, dass mich die Musik fallweise zunächst eher befremdet, bis sie mir vertraut und dann von mir besonders geschätzt wird. Ich würde davon ausgehen, dass - bei geringer Dosierung - das unverbildete kindliche Gehör eher eine größere Offenheit aufweist als unsere an Mozart und Beethoven, an Verdi, den Comedian Harmonists, den Beatles & Elton John geschulten Ohren. Deswegen denke ich, dass man auch in die akustische Umgebung kleinerer Kinder so „harten Stoff“ wie Purcell’s Anthems einbringen könnte und sollte. Hierin sehe ich mich auch durch die enormen Leistungen der Knabenchöre, insbesondere die solistischen Knabensoprane in manchen der Stücke Purcell’s bestätigt.